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Podcastfolge three oder Zeiten ändern sich, was hat die Zeit mit psychisch Erkrankten gemacht?

Aktualisiert: 26. Feb. 2021

Nov 2018



Definitionen

Psychologie

Psychologie ist eine Wissenschaft deren Ziel es ist, menschliches Erleben und Verhalten, deren Entwicklung im Laufe des Lebens sowie alle dafür maßgeblichen inneren und äußeren Ursachen oder Bedingungen zu Beschreiben und erklären. Psychologie ist altgriechisch und bedeutet wörtlich Seelenkunde.

psychische Krankheiten

Eine psychische oder seelische Störung ist ein Zustandsbild, das durch krankheitswertige Veränderungen des Erlebens und Verhaltens gekennzeichnet ist. Sie bringt erhebliche Einschränkungen und Auffälligkeiten im Verhalten und Erleben mit sich.



Gibt es psychische Erkrankungen schon so lange, wie es Menschen gibt? Davon ist wahrscheinlich auszugehen. Die Zeiten haben sich bekanntlich geändert, die Lebensweise der Menschheit sich gewandelt und entwickelt. Wie jedoch ist es zu erklären, dass im 21. Jahrhundert psychische Krankheiten oft belächelt oder nicht ernst genommen werden? Wie kann es sein, dass es zu wenig Therapieplätze und Psychologen gibt? Wie, dass es so gut wie keine staatlichen Hilfen für Betroffene gibt und die Gesellschaft gefühlt keine Ahnung hat?


Betrachtet man den Verlauf des Umganges mit psychischen Krankheiten, ergeben sich einige Antworten auf diese Fragen. Denn eines ist klar, als psychisch Erkrankte*r hat man es zwar schon schwer genug, einfacher durch die Außenwelt jedoch wurde es noch nie.

Schon für die Griechen und Römer war das Gehirn und der menschliche Körper ein Rätsel, eine Leiche zu untersuchen undenkbar.

Der Arzt Hippokrates jedoch unterschied damals schon Melancholie und Manie. Als Ursache vermutete er eine fehlende Mischung der „Körpersäfte“, welche sich auf das Gehirn auswirken würden.

Platon, der griechische Philosoph, war 347 vor Christus der Erste der sich richtig mit der menschlichen Psyche auseinandersetzte. Er entwickelte zum Beispiel das Schichtenmodell der Seele:

Seiner Meinung nach bestehe die Seele aus zwei Teilen. Den vernünftigen, welcher das Denken, die Erkenntnisse und den Verstand beträfen und den begehrenden. Der begehrende sei der unvernünftige Teil, da er rein aus dem Begehren heraus handle.

„Ob nun der Wille und die Fähigkeit zu wollen einen dritten Teil bildet? Oder bildet sich das aus den beiden?“, so Platon.


Die Erkenntnis aus der Antike, dass es psychisch Erkrankte gibt, ging im Mittelalter, genauer dem 6. bis 15. Jahrhundert vollständig verloren.

Menschen mit psychischen Erkrankungen gelten nun als vom Teufel besessen, von Gott bestraft, allgemein besessen oder gar willige Diener des Teufels. Gleichzeitig hatte man Angst, die Besessenheit der „Irren“ sei übertragbar was sich dementsprechend in den Behandlungen zeigte.

Betroffene wurden europaweit zusammen mit Bettlern, Kriminellen, Alten, Armen und Prostituierten in sogenannten Tollhäusern eingesperrt welche sich oft in entlegenen Orten befanden, damit Normalbürger das Flehen und Schreien der Gefangenen nicht hören mussten.

Man quälte sie mit Folterwerkzeugen, um sie zur Vernunft zu bringen. Manche wurden als Hexen verurteilt und verbrannt.

Da den „Irren“ keine Gefühle zugeschrieben wurden, ließ man sie häufig hungern und frieren. Wärter waren Ex-Söldner oder Häftlinge, deren Aufgabe es war die Kranken körperlich zu strafen. Die Theorie war, dass es sich Betroffene anhand der Qualen anders überlegen würden und zur Normalität zurückkehren.


Erst im 17. & 18. Jahrhundert traten vereinzelt erste Ärzte dafür ein, dass psychisch Erkranke nicht schlecht oder besessen, sondern krank sind.

Der erste Durchbruch fand 1760 in England statt. Es brauchte einen angesehenen, bekannten psychisch Kranken bis die Gesellschaft anfing zu verstehen, dass die in den Anstalten eingesperrten Menschen normale, tatsächlich sogar fühlende Menschen sind! Es wurde öffentlich wie brutal King George II während seiner „Verwirrung“ behandelt wurde, was zu einer parlamentarischen Untersuchung und öffentlichem Interesse führte. Daraufhin besserte sich die Behandlung in Europa unter erstmalig medizinisch-therapeutischem Fokus. Es kam (wenig überraschend) zu deutlichen Besserungen, weniger Aggression und einem unkomplizierten Betrieb in Anstalten.

Der Arzt Phillippe Pinel übernahm 1795 eine Nervenanstalt in Paris mit bis zu 8.000 Patienten. Er entwickelte eine gründliche Reform und befreite alle von ihren Ketten. Sein größter Verdienst war es, die Insassen nicht mehr wie Zuchthäusler, sondern wie Kranke zu behandeln.

Der Deutsche Johann Christian Teil gilt als Begründer der modernen Psychiatrie nicht nur, da er 1808 als erster diesen Begriff benutzte, sondern auch Beschäftigungstherapie, Musik, gute Ernährung, Schlaf und Sonnenlicht als Therapie einführte. Zwangsjacken und kalte Bäder blieben aber um die Kooperation der Patienten sicher zu stellen.

In England verzichtet John Conolly 1839 erstmals auf Gewalt. Er hatte gutes Personal, welches anständig bezahlt und gefördert wurde. Außerdem bildete er dieses so aus, dass Patienten psychologisch einfühlsam betreut werden konnten. Patienten wurden nun beschäftigt statt bestraft.


Ab dem 19. Jahrhundert begannen Ärzte die körperlichen Ursachen zu untersuchen. Jetzt kümmerte sich nicht mehr die Polizei um die „Wahnsinnigen“, sondern die Ärzte.

Es entstanden die sogenannten Irrenanstalten, welche nicht mehr Aufbewahrungsorte, sondern Pflege- und Heilanstalten waren. Bis 1860 dauerte es bis es sich überall durchsetze. Auf dem Land galten lange noch die alten Umgangsregeln.

Ende des 19. Jahrhunderts geriet die sogenannte Hysterie in Mode. Dabei schrien, tobten oder bäumten sich die Patienten auf wobei keine körperlichen Ursachen gefunden werden konnten. Es wurde vermutet, dass dies eine Folge schockierender Erlebnisse sein könnte. Ärzte versuchten das Leiden durch Hypnose zu lindern.

Der junge Arzt Sigmund Freud lernte diese Behandlungsmethode in Paris näher kennen. Von da an beschäftigte er sich intensiv mit der Krankheit Hysterie. Er veröffentlichte einen Fall in „Studien über Hysterie“ mit Joseph Breuer und beschrieb den Krankheitsverlauf und die Therapie mithilfe Hypnose und Gesprächen. Als Schlüssel der Seele entdeckte er den Traum, da im Traum sich seiner Meinung nach unterdrückte Wünsche des Menschen äußerten. Als Ursache psychischer Krankheiten vermutete er die Unterdrückung von sexuellen Trieben.

Daraus entwickelte er die Therapie die Psychoanalyse. Damit begann die Geschichte der modernen Psychotherapie.


Anfang des 1. Weltkrieges gingen sämtliche klinische Verbesserungen und psychologische Ansätze verloren. Die Masse der psychisch Kranken vegetierte in den Anstalten vor sich hin. Die einheitliche Diagnose lautete vorzeitige Verblödung. Um für therapierbare und körperlich Kranke Platz zu machen, ließ man psychisch Kranke einfach verhungern.

In den 30er Jahren wurden neue Behandlungsmethoden entwickelt wie Elektroschock oder Insulinschock. Außerdem wurde unter den Ärzten diskutiert ob sich eine Behandlung überhaupt lohnen würde. Die Nazis setzten dann um, was deutsche Psychologen gefordert hatten: Die Vernichtung unwerten Lebens.


Zwischen 1940-41 wurden über 70 000 psychisch Erkranke und geistig behinderte ermordet. Ärzte und Pfleger setzten tödliche Spritzen, schränkten gezielt die Nahrung ein und sahen dem Massensterben zu.


Bis Ende der 70er wurde die Situation der psychisch Kranken in der Bundesrepublik, die in veralteten Gebäuden auf überfüllten Stationen zusammengepfercht waren, nicht zur Kenntnis genommen. Auf einen Arzt kamen 10 mal so viele wie vorhergesehen was dazu führte, dass Ärzte Patienten mit Medikamenten ruhig zu stellen versuchten.

Erst durch die 68er Bewegung (Sie strebte eine umfassende Demokratisierung der bundesdeutschen Gesellschaft als Beitrag zur Emanzipation aller Menschen von kapitalistischer Ausbeutung, Unterdrückung und Entfremdung mit antiautoritären Mitteln an) besserte sich die Situation. Es entstanden endlich ambulante Behandlungsmöglichkeiten durch sozialpsychiatrische Dienste und niedergelassenen Therapeuten.


Heute ist die Lehre von Freud umstritten. Im 20. Jahrhundert entstanden viele neue verschiedene Formen und Ansätze wie beispielsweise die Verhaltens- oder Gestaltungstherapie.

Sicherlich gibt es immer noch grausame Bedingungen, unter denen psychisch kranke Menschen leiden. Nicht nur in weniger demokratisch und zivilisierten Regionen der Erde, wo das Prinzip des Wegsperrens noch immer vorherrscht, sondern auch aus unseren westlich entwickelten Gesellschaften hört man immer wieder Gruselgeschichten von versteckten, misshandelten oder verwahrlosten Kranken. Insgesamt aber haben wir doch einen beträchtlichen Weg von der Barberei in eine humane Gesellschaft zurückgelegt.


"Erst reagiert man mit Unverständnis und Angst auf psychisch Gestörte und versucht dem verstörenden Verhalten auszuweichen oder es zu beseitigen.

Wegen des fehlenden Wissens müssen diese Versuche scheitern,

was dann zu Frustration führt, die sich in Wut, Bestrafung und Feindseligkeit manifestiert.

Das ruft alsbald Mitleid mit den hilflosen und unschuldig Kranken und Protest gegen ihre Behandlung auf den Plan.

Das Mitgefühl führt zu einer neuen Suche nach Methoden der menschlichen Behandlung. Aber der gute Wille alleine reicht nicht aus, den Kranken zu helfen.

Richtige Behandlung und Therapie ist auf Wissen angewiesen, dass nur durch systematische Studien und Forschung gewonnen werden kann", so der amerikanische Psychologe Theodore Millon.


Zum Glück kann man sagen, dass die heutigen Erkenntnisse sich stets erweitern und das Wissen sich entwickelt. Auch die Unterstützung und das Verständnis von psychisch Erkrankten steigt und wächst. Vor einigen Jahren wurde beispielsweise das Aktionsbündnis für Seelische Gesundheit ins Leben gerufen. Es zählen zu den über 90 Mitgliedern zum Beispiel Selbsthilfe Verbände, Vertreter aus Psychiatrie, Gesundheitsförderung und Politik. Zweck ist verstärkt über psychische Krankheiten aufzuklären und Initiativen zu fördern. Sie nutzen unter anderem den 10.Oktober der „internationale Tag der seelischen Gesundheit“ an welchem durch Informationstage, Aktionswochen und Veranstaltungen der Vorbeugung und Therapie psychischer Krankheiten informiert und auf allgemein erkrankte Menschen aufmerksam gemacht werden soll.


Zusammenfassend ist es interessant und wichtig zu verstehen woher das Phänomen, dass viele psychisch Kranke Menschen immer noch als irre ansehen werden, eigentlich kommt. Es war ein langer, steiniger und schrecklicher Weg bis zu den heutigen Entwicklungen. Und obwohl meiner Meinung nach immer noch viel zu wenig Verständnis und Hilfe existiert, kann man mit Sicherheit sagen, dass wir psychisch Erkrankte es vergleichsweise gut getroffen haben.

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